Mauer mit Israel Flagge

Miriam Rozen: Eine Krankenschwester an der Wiege Israels

23. Mai 2025 / Matthias Krön

Wie eine junge jüdische Britin im Mai 1948 im britischen Mandatsgebiet Palästina landete, um zwischen Kugelhagel und Ausnahmezuständen Leben zu retten – und warum ihr Vermächtnis bis heute nachhallt.

14. Mai 1948 – die 22-jährige Krankenschwester Miriam Rozen steht im provisorischen Verbandsraum der Golani-Brigade und verbindet blutende Soldaten, während draußen die gerade ausgerufene Demokratie Israel um ihr nacktes Überleben kämpft. Nur zwei Wochen zuvor war sie – zusammen mit ihrer Mutter Freda – im Morgengrauen des 1. Mai in Haifa von Bord eines Frachters gesprungen. Die jüdische Stadtbevölkerung jubelte über ihre gerade erfolgte Befreiung, doch Miriam weigerte sich, sich den Kämpfen anzuschließen:

„Ich bin nicht gekommen, um das Marschieren zu lernen, sondern um Menschen gesund zu pflegen. Dabei gibt es keine Zeit zu verlieren!“


Eine Kindheit zwischen Gleiwitz, London und Haifa

Geboren 1926 in Gleiwitz/Oberschlesien, erlebte Miriam zunächst eine unbeschwerte Kindheit. Dann kamen die Nazis und mit ihnen Entrechtung und Vernichtung für die Juden. Mit nur zwölf Jahren kam sie mit einem Kindertransport nach England und hatte so das Glück, zu überleben.

Miriam verabschiedet sich 1938 am Bahnhof von ihren Eltern

Einige Monate später gelang ihrer Mutter die Flucht nach England, während ihr Vater von den Nazis ermordet wurde. Miriam ließ sich wie ihre Mutter zur Krankenschwester ausgebilden. 1948 entschieden Mutter und Tochter, Alijah zu machen, entschlossen, am Aufbau des jüdischen Staates mitzuwirken:

„Ich wusste, dass es meine religiöse und nationale Pflicht war, an der Gründung des Staates in dem Land mitzuwirken, das Abraham von Gott versprochen worden war.“


Lazarette an der Front

Kaum angekommen, teilte man Miriam und Freda dem 2. Bataillon der Golani-Brigade zu. In Yavniel, Tiberias und später in Afula rissen sie Fenster aus verlassenen Kasernen, um daraus OP-Tische zu zimmern. Miriam reinigte die Böden von getrocknetem Blut, bastelte Anästhesiegeräte aus Blechdosen und versorgte Verwundete noch während der Feuergefechte. In Sarin überlebte sie nur knapp einen Tieffliegerangriff, flüsternd das Schma Jisrael, bevor sie die Verwundeten weiterverband.


Verletzung, Eilat und die dramatische Rettung

Ein Sturz in Bet Lechem Hagalilit zertrümmerte ihre Kniescheibe – bis heute läuft sie sehr mühsam. Doch kaum genesen, stieg sie zu Pessach 1949 in einen Lastwagen in Richtung Eilat, damals eine windgepeitschte Gegend im Niemandsland. Auf dem Rückweg geriet ihr Konvoi in einen Hinterhalt. Zwischen brennenden Wracks barg sie Dutzende Verwundete, verarztete sie auf der Ladefläche eines Lkw und organisierte Nachtflüge nach Tel Aviv – ein Albtraum, der ihr Leben lang nachhallte.


Heim, Familie und bleibende Spuren

In den Wirren des Krieges lernte sie den britischstämmigen Hauptmann Dov Rozen kennen und heiratete ihn im Machal-Club von Tel Aviv. Zwei Söhne, ein Fallschirmjäger und ein Golani-Soldat, und inzwischen auch ein Enkel in derselben Brigade tragen ihr Vermächtnis weiter. Offiziell gilt Miriam trotz Dauerschäden nie als „Kriegsversehrte“ – ihre Kranken­akten gingen irgendwo im Staub der Geschichte verloren.

Heute lebt sie im dritten Stock eines Hauses in Petach Tikvah. Ohne Aufzug, mit schmerzenden Knien und doch mit funkelnden Augen empfängt sie Besucher. Ihr Geist ist hellwach; sie diskutiert Politik, Geschichte und – zutiefst erschüttert – den erneut auflodernden Antisemitismus nach dem 7. Oktober 2023.


Ein bewegender Besuch

Vor wenigen Wochen darf ich, Angelika, Miriam in ihrer kleinen Wohnung besuchen. Ihre Wohnungstür ist voller Aufkleber mit zionistischer Botschaft. Schon vor dem Eintreten ahne ich, dass innen eine besondere Person wartet. Auf mein Klopfen ruft sie laut: „?מי פה – Wer ist da? Komm rein!“ Die Tür ist offen, ihre Pflegerin kommt erst am Abend, und so gehe ich zu der alten Dame, die mich mit freudiger Erwartung anblickt.

Zwischen Stapeln alter Schwarz-Weiß-Fotos erzählt sie mit leiser Stimme und festem Blick. Keine Bitterkeit, aber die klare Aussage:

 

„Der Ewige hat uns zurückgebracht. Ich habe mein Teil getan. Jetzt vertraue ich Ihm für den Rest.“

Miriam wurde am 12. Mai 99 Jahre alt. Ihre Kinder und Enkel schauen regelmäßig vorbei, eine Pflegerin hilft ein paar Stunden am Tag – und doch fühlt sie sich oft einsam. Wer zuhört, spürt, dass hier ein Stück lebendige Geschichte sitzt: der Widerhall vom Verlassen der Heimat, Schoa, Staatsgründung und den vielen Kriegen in Israel bis heute, verdichtet in einer einzigen, jetzt im Alter zerbrechlich wirkenden Frau. Wir sprechen darüber, was nach dem Tod kommt. Miriam weiß es nicht sicher. Ich erzähle ihr von der Hoffnung und dem tiefen Frieden, der aus dem lebendigen Glauben an den Gott Israels kommt. Wir einigen uns darauf, dass Gottes Wort die Wahrheit ist und wir beim Lesen ermutigt werden, dass es ein Fortbestehen Israels geben wird! Herzlich verabschiede ich mich von Miriam, die mich inständig bittet, bald wiederzukommen.

Hier ein Gespräch, das ich mit Miriam bei diesem Treffen geführt habe:


77 Jahre später – Staunen und Verantwortung

Israel feiert in diesem Jahr seinen 77. Geburtstag. Von einer kargen Pioniersiedlung an den Ufern des Mittelmeers zu einer High-Tech-Nation – und

doch im Kern immer noch angewiesen auf Menschen wie Miriam, die mit Mut, Glaube und Tatkraft Brücken schlagen. Ihr Leben erinnert uns daran, dass das Moderne Israel nicht nur durch Waffen, sondern auch durch Binden, Skalpell und unerschütterliche Hoffnung verteidigt wurde.

Möge Gott, der Hüter Israels, Miriam Rozen segnen und uns alle daran erinnern, dass jedes Wunder – ob vor 77 Jahren oder heute – Menschen braucht, die bereit sind, ihre Hände schmutzig zu machen und ihr Herz offen zu halten.


Wenn dich Miriams Geschichte berührt, schreib ihr eine Karte, erzähl anderen von ihr oder bete für Frieden und Schutz über Israel. Denn das größte Dankeschön an eine 99-jährige Krankenschwester ist, das Vermächtnis des Lebens weiterzutragen, das sie einst unter Kugelhagel schützte.